Nadja Blust (l.) und Andrea Chamberlain (r.)
Nadja Blust ist Deutsch- und Russischlehrerin, Bloggerin und Youtuberin. Sie teilt ihre News und Anregungen rund um das Thema Deutsch als Fremdsprache auf ihrem YouTube Kanal und ihrer Website livedeutsch.blogspot.com
zu gründen?
Andrea: Nachdem ich ein paar Jahre lang Englisch im Vor- und Grundschulbereich unterrichtet hatte, kam ich als Fachkraft für Deutsch nach Frankreich. Da habe ich schnell gemerkt, dass es für Deutsch nicht die gleiche Fülle an Material gab, wie für Englisch, insbesondere wenig Lieder, die sich als Sprachlernlieder eigneten. Die meisten Kinderlieder sind für Sprachanfänger ziemlich schwierig.
Da ich großen Spaß an Musik habe, habe ich angefangen, selbst Sprachlernlieder zu schreiben. Zum Beispiel "Wie ist das Wetter heute?" oder "Sonnenblume". Ich spiele Gitarre und meine kleinen Schülern lernten viel deutsches Vokabular über Musik. Nach einer Weile kamen Eltern zu mir und erzählten mir begeistert, dass ihre Kinder zu Hause auf Deutsch singen und fragten mich, ob ich ihnen CDs mit den Liedern geben könnte. Dieses positive Feedback hat mich sehr gefreut und motiviert.
Mit meinem Gitarrenlehrer Claude Schwitzer zusammen haben wir dann Aufnahmen gemacht - in seinem Büro neben der evangelischen Kirche in Thionville. Allerdings war es bei 100 Schülern schwierig für alle eine CD zu machen, daher kam ich auf die Idee, kleine Videos dazu zu drehen und sie ins Netz zu stellen. YouTube war dafür die beste Option. Den Namen Andrea Thionville habe ich damals ausgesucht, weil wir in Thionville wohnten und die meisten Eltern mich nur als Andrea kannten.
Ich hätte nie erwartet, dass noch jemand anders, als die Eltern meiner Schüler mich finden würden, aber nach ein paar Wochen stellte ich erstaunt fest, dass sich Menschen überall auf der Welt meine kleinen Videos anschauten. Das hat mich unheimlich gefreut.
Nadja: Und wie ist jetzt? Mit fast 100 Tausend Abonnenten- was hat sich verändert?
Andrea: Ich denke mal, der größte Unterschied ist die Qualität. Die ersten Videos haben wir in meiner Klasse gedreht. Ich habe etwas an die Tafel gemalt oder vorgemacht und Claude hat mit dem Handy gefilmt, während wir die Lieder auf der CD haben laufen lassen. Deshalb ist der Ton total schlecht. Mittlerweile habe ich ein besseres Mikrofon, ein Geschenk meines Onkels, der Tontechniker beim Saarländischen Rundfunk ist und mir auch ein paar gute Tipps gegeben hat.
Das erste Video von Andrea Thionville
Bei manchen älteren Videos hört man ab und zu, wie meine Katze miaut oder ein Auto vorbeifährt - das gibt es jetzt nicht mehr. Mein Mann bearbeitet alle Tonspuren für mich nach, so dass die Qualität schon recht vorzeigbar ist. Aber ein eigenes Studio habe ich noch nicht. Das wäre natürlich toll.
Was sich für mich persönlich geändert hat ist, dass ich jetzt Mama bin und nicht mehr unterrichte. Ich bin sozusagen hauptberuflich Autorin und YouTuberin. Das ist toll, weil die Arbeitszeiten flexibel sind. Manchmal fehlt es mir allerdings, Kollegen zu haben. Deshalb gehe ich viel raus und arbeite gern in Cafés. Oft komme ich dort auch mit Leuten ins Gespräch. Eine Gruppe Frauen hat mir mal für eine Szene spontan Modell gestanden, das war total lustig.
Nadja: Ich weiß, dass du deine Videos selber malst und dann drehst. Beim Musizieren hilft dir deine Kollegin. Wie lange dauert es, vom Konzept bis zum fertigen Film?
Andrea: Ja, ich spiele zwar Gitarre und für den Unterricht mit den Kindern reicht's, aber für die Aufnahmen ist es mir lieber, wenn jemand spielt, der es besser kann, als ich. Bisher waren das mein Gitarrenlehrer und meine Mutter.
Wenn ich ein neues Video mache, setze ich mich erst mal gemütlich in ein Café und bestelle einen Cappuccino. Dort mache ich mir Notizen zum Beispiel über ein Grammatikthema oder Wortschatz zu einen bestimmten Thema - und strukturiere den Aufbau.
Ich habe Sprachwissenschaften studiert und mache mir genau Gedanken, wie ich möglichst viele sprachliche Informationen einfach und logisch darstellen kann, ohne das das Endprodukt langweilig oder zu kompliziert ist. Ich versuche, Strukturen transparent zu machen, so dass man sie intuitiv versteht, wenn man das Video sieht. So dass das Unterbewusstsein die grammatikalischen Strukturen speichert, ohne dass langatmige Erklärungen nötig sind.
Dann mache ich mir Gedanken zu den Bildern. Man soll ohne Vorkenntnisse möglichst viel durch die Bilder verstehen. So bleibt man in der Sprache, ohne übersetzen zu müssen. Im Grunde mache ich illustrierten thematischen Wortschatz. Meist wird erst ein Wort vorgestellt, dann folgt ein Satz, in dem das Wort benutzt wird. Ich zeichne alle Bilder mit Bleistift auf Papier, scanne sie ein und bearbeite sie mit dem Computer.
Die Audioaufnahme mache ich erst ganz zum Schluss, wenn ich die Texte und die Bilder genau abgestimmt habe. Mein Mann hilft mir bei der Bearbeitung. Zum Schluss mische ich alles mit Moviemaker zusammen.
Ich lade die Videos zuerst privat hoch, schreibe die Untertitel auf Deutsch und Englisch, baue einen Abspann ein, bette sie in Playlists ein und wenn das alles geschafft ist, kommt der beste Teil: Der Klick auf den Button "Veröffentlichen". Vom ersten Cappuccino bis zu diesem Moment vergehen meistens 2 Wochen, aber reine Arbeitszeit davon sind vielleicht 10-20 Stunden.
Nadja: Wann kam die Idee, das neue Lehrwerk zu schreiben. Wie lange dauerte das?
Andrea: Mein erstes Lehrwerk ist eigentlich meine Website Teddylingua.de. Während meiner Zeit als Fachkraft für Deutsch in Frankreich hat es sich aus meinem Konzept für die Ecole Maternelle heraus entwickelt. Ich wollte nicht nur irgendwas machen, sondern hatte den Ehrzeiz, dass die Kinder Spaß an Deutsch haben und richtig was dabei herauskommt.
Das Grundprinzip war für mich: Im ersten Kindgartenjahr liegt der Fokus auf Substantiven, im zweiten Kindergartenjahr kommen dann Adjektive hinzu und das Vokabular vom Vorjahr wird in der Verbindung mit den Adjektiven wiederholt. Im dritten Jahr kommen die Verben hinzu und komplexere Sätze können gebildet werden. Das klingt natürlich sehr technisch, aber das Prinzip von Teddylingua ist es, all das durch Sport, Musik, Spiel und Spaß zu vermitteln.
Ich hoffe, dass es in näherer Zukunft klappt, die Teddylingua Lieder noch einmal in besserer Qualität aufzunehmen und für jedes der drei Kindergartenjahre ein Heft zu veröffentlichen mit allen Liedtexten, dem Vokabular und Übungen. Zusätzlich dazu, soll es auch ein viertes Heft und eine CD über Feste und Jahreszeiten geben. Das ist allerdings noch Zukunftsmusik.
In der Zwischenzeit habe ich mit Philippe Bonnard, meinem Co-Autor und Editor von Philipus-Education ein Lehrwerk für etwas ältere Kinder entwickelt. Er hat meine Arbeit im Internet gesehen und mich schon 2013 kontaktiert. 2016 haben wir dann mit dem Konzept von Luftballons angefangen. Jetzt ist es fertig - zweieinhalb Jahre hat es gedauert.
Nadja: Dein neues Lehrwerk heißt Luftballons. Ab welchem Alter kann man das Lehrwerk einsetzen? Gibt es zusätzliche Materialien wie Arbeitsheft oder Lehrerhinweise, Spiele usw.
Andrea: Luftballons richtet sich an Grundschulkinder im Alter von sechs bis neun Jahren. Es besteht aus fünf Teilen. Einem Geschichtenbuch, einem Arbeitsheft, einer Doppel-CD, einer DVD und einen Lehrerhandbuch.
Das Lehrwerk Luftballons, erhältlich bei Philipus-Education
Das Geschichtenbuch erzählt in Comicform die Abenteuer der Geschwister Mia und Till, die mit Luftballons durch Deutschland reisen. Sie fangen in der Mitte an, im Harz, und besuchen Berlin, Rügen, Hamburg, den Schwarzwald und viele andere Regionen in Deutschland.
Als Hintergrund dienen aktuelle Originalfotos all dieser Orte, so dass die Kinder schon durch die Bilder viel über Deutschland erfahren. Die Figuren sind alle gezeichnet und fügen sich in die Szenen ein. Angefangen beim Kennenlernen werden in jedem Kapitel neue Wortfelder eingeführt und in den darauf folgenden darauf aufgebaut.
Auf der DVD sind all diese Geschichten als Video zu sehen, untermalt mit Geräuschen und Effekten. Ich glaube, das ist für die Kinder sehr spannend. Luftballons ist eine Abenteuerreise. Till und Mia treffen viele unterschiedliche Figuren - von Superhelden und Märchenfiguren bis zu einem kleinen Jungen aus Syrien ist alles dabei.
Auf der CD gibt es 25 Lieder und Reime, die das Vokabular, das in Luftballons vorkommt, vertiefen. Die Lieder sind ganz unterschiedlich, manche sind sehr klassisch, andere rockig, ein Walzer ist auch dabei. All diese Lieder kann ein Anfänger schon nach dem ersten Mal verstehen und mitsingen.
Im Arbeitsheft stehen vor allem Hören und Sprechen im Vordergrund, Schreiben und Lesen stehen nicht im Fokus, können aber eingebunden werden. Wichtig war uns, viele Übungen zur Verfügung zu stellen, die die Kinder zum selbst Sprechen einladen.
Im Lehrerhandbuch gibt es viele Anregungen zum fächerübergreifenden Deutschunterricht, der gerade im Elsass und in Lothringen sehr wichtig ist. Beispielsweise tolle Ideen für Kunstprojekte im Zusammenhang mit Deutsch oder Anregungen für Deutschunterricht in der Turnhalle. Außerdem gibt es viel Hintergrundwissen zu den Regionen in denen Luftballons spielt sowie Tipps zum Thema Vermittlung von Phonetik und Grammatik im Rahmen des Lehrwerks, Spielideen mit Bildkarten und vieles mehr.
Zusätzlich stellen wir auf gratis-Zusatzmaterial auf der Website des Verlages zur Verfügung. Besonders wichtig sind dabei die Audiodateien, die für das Arbeitsbuch gebraucht werden (sind auch als CD erhältlich) und die Bildkarten, aber auch die Audioaufnahmen der Geschichten und die Fotos aller Kunstprojekte. Da kann man erst mal reinschnuppern, um Luftballons kennen zu lernen.
Bildkarten zum Lehrwerk "Luftballons" gibt es gratis auf der Website des Verlages.
Nadja: Kann man mit deinem Lehrwerk auch nicht-französische Kinder unterrichten?
Auf jeden Fall! Luftballons ist für den internationalen Markt gedacht, alle Texte und Arbeitsanweisungen sind komplett in einfach verständlichem Deutsch.
Ich muss allerdings unter Vorbehalt dazu sagen, dies gilt zu 100% erst ab 2019. Im Moment gibt es nämlich das Lehrerhandbuch nur auf Französisch und auch die Website ist noch nicht übersetzt. Doch ich kann versichern: Wir arbeiten fieberhaft daran, dass alles zeitnah fertig wird. Wichtig ist uns jedoch die Qualität.
Im neuen Jahr werde ich mehr dazu erzählen können, dann wird nämlich alles auch auf Deutsch erhältlich sein und die Website gibt es dann auch auf Englisch und Spanisch.
Nadja: Vielen Dank für deine Zeit und ich hoffe, dass dein Lehrwerk bald genauso so bekannt wird, wie dein YouTube Kanal und deine Webseite. Viel Erfolg!
Andrea: Vielen Dank, Nadja!